COUCHSTORIES //

Deine Freundin hat Liebeskummer und weint sich bei dir aus......, dein Kind wird in der Schule gemobbt...., dein Partner von seinem Chef ungerecht behandelt...., und dann beklagt auch noch deine Mutter ihre Einsamkeit und die Nachbarin ist krank und braucht etwas Zuspruch...., du hast die letzten Nächte kaum geschlafen, weil dein kleiner Sohn Zähne bekommt und nur mit Kuscheleinheiten liegen bleiben will....
Der ganz normale Wahnsinn halt....! Kennst du? Ist halt immer irgendetwas..?
Und – wie gehst du damit um? Welche der Hiobsbotschaften geht dir besonders an die Nieren. Wo fühlst du dich sofort in der Pflicht aktiv zu werden, zu helfen, zu trösten? Wo fühlst du mit, und wo beginnst du sofort mitzuleiden?
Ich rate mal.... ich vermute am Schlimmsten wäre möglicherweise, dass dein Kind in der Schule leidet? Du spürst sofort Wut in dir aufsteigen oder gar Tränen? Erinnerst dich an eine Situation, als dich die Klassenkameradin bei der Lehrerin anschwärzte und du dich hilflos und ausgeliefert fühltest?
Die Freundin nimmst Du tröstend in den Arm, weißt Du doch, wie schlimm es sich anfühlt, sich der Gefühle des Geliebten nicht mehr sicher zu sein.
Deinem Partner gegenüber kommst du in kein rechtes Gefühl, weil du selbst findest, dass er zu empfindlich ist und sich viel zu schnell ungerecht behandelt fühlt.
Und bei deiner Mutter? Hätte sie nicht auch mal einen Vorschlag zur Freizeitgestaltung annehmen können, anstatt von dir zu erwarten, dass du dich kümmerst?
Das Leid und Wehe Anderer löst also sehr unterschiedliche Gefühle und Reaktionen in uns aus. Manchmal tut es uns einfach Leid, dass der Andere das gerade durchmachen muss, manchmal eilen wir sofort um zu helfen und manchmal sehen wir zu, dass wir dem Jammern so schnell wie möglich entkommen.
Wir treten also immer sofort in Beziehung zu dem Leidenden, unsere Reaktion hat aber sehr viel mehr mit uns selbst zu tun, als mit unserem Gegenüber! Sie hängt offenbar stark von unseren eigenen Erfahrungen und Erinnerungen ab und natürlich von den Erfahrungen mit dem Menschen, der uns sein Leid anvertraut, bzw. mit unseren Gefühlen der Liebe, Fürsorge oder Verpflichtung ihm gegenüber. Tatsächlich scheinen wir eher mit uns selbst in Kontakt zu sein, als mit dem Anderen.
Was ist denn nun der Unterschied zwischen Mitfühlen und Mitleiden?
Mitgefühl ist eine Wesensqualität, die eigentlich jeder Mensch bereits mitbringt. Auch sehr kleine Kinder können das Leid anderer erkennen, und reagieren darauf. Je unbedarfter und unerfahrener wir mit dem Schmerz sind, den wir wahrnehmen, umso natürlicher ist oft die tröstende Reaktion. Die Mama, oder auch das Haustier werden zärtlich gestreichelt, dann wendet sich das Kind wieder seinem Spiel zu. Es „lässt“ den Schmerz bei dem Anderen. Fragt vielleicht nach, sagt einen tröstenden Satz.
Auch wenn wir sehr „bei uns“, dass heisst, unserer Lebenssituation, unserer Gefühle und Erfahrungen bewusst sind und sie verarbeitet haben, können wir auf diese Weise mitfühlen: wir erkennen, dem Anderen geht es schlecht, dass tut uns Leid für ihn und wir schauen, ob wir innerhalb unserer Macht und unserer Kraft etwas für ihn tun können, oder treffen eine Empfehlung. Das wäre natürliches Mitgefühl: wir sind in unserem Gefühl und in unseren Gedanken mit dem Leidenden, ohne uns hinein zu steigern oder gar mitzuleiden. Wir bleiben innerlich bei uns. So können wir trösten und helfen, wenn das angebracht ist, ohne selbst völlig aufgewühlt zu werden, auch wenn wir vielleicht traurig darüber sind. Dies beinhaltet auch, dass wir manchmal dem Anderen die Zumutung seines Schmerzes lassen müssen, weil er daraus lernen wird.
Deshalb ist es schon für Kinder ganz schlecht, ihnen ihren Schmerz ausreden zu wollen, „schau ist doch garnicht schlimm, ist doch nichts passiert..“, nur weil wir vielleicht die Tränen des Kindes nicht aushalten wollen. Damit geben wir dem Kind das Gefühl, dass irgendetwas mit ihm nicht in Ordnung ist. Für das Kind ist der Schmerz schlimm und das sollte gewürdigt werden, ohne aus der Mücke einen Elefanten zu machen: „Oh, zeig mal her, ich puste bis es besser wird!“
Erwachsene neigen allerdings eher dazu, dem Kind gegenüber aus dem Elefanten eine Mücke machen zu wollen und respektieren damit die kindlichen Gefühle, ihr Schmerzempfinden und ihre Angst nicht. Was Kinder in ihren Gefühlen und Empfindungen stark verunsichert. Aber auch die Freundin wird auf ein „wird schon wieder“, oder „versuch positiv zu denken“, nicht so erfreut reagieren, sich nicht ernst genommen fühlen.
Ganz schlimm wird es, wenn dem Kind, so wie in dem obigen Beispiel etwas widerfährt, was die Mutter oder der Vater selbst erlebt und darunter stark gelitten hat. Dann beginnen wir mitzuleiden: wir gehen in Resonanz mit dem eigenen Erleben, erleben es quasi noch einmal und reagieren so, als würden wir den Schmerz gerade selbst noch einmal akut erleben. Leicht vorstellbar, dass wir in dem Augenblick keine Chance mehr haben, angemessen zu reagieren, wir werden vielleicht panisch, hysterisch, sind so oder so nicht wirklich hilfreich.
Wenn wir also angesichts einer schlimmen Situation, die uns nicht persönlich betrifft, beginnen (mit) zu leiden, sind wir in erster Linie mit uns selbst und unserem erlittenen Leid in Berührung und weniger mit demjenigen, der das Übel gerade erlebt. Wir verlieren den Abstand und versuchen alles, von dem wir glauben, dass es uns damals geholfen hätte. Oft ohne zu prüfen, ob dies auch der gegenwärtigen Situation angemessen wäre.
Dabei vergessen wir, dass es individuell sehr verschieden sein kann auf Leid zu reagieren und setzen voraus, dass der Andere so fühlt, wie wir damals, oder wie wir jetzt fühlen würden.
Wir müssen also lediglich wahrnehmen, dass es dem Anderen nicht gut geht, ohne uns mit seiner Situation zu identifizieren, d.h. uns so zu fühlen, als wären wir gerade selbst betroffen. Dann können wir in unserer Kraft bleiben und auch auf sie achten und aus ihr heraus trösten und helfen. Und auch die Würde des Leidenden achten, ohne ihn zu überfahren oder zu bevormunden.
Es ist für unser Seelenheil sehr wichtig, sich den Unterschied zwischen mitfühlen und mitleiden zu vergegenwärtigen, denn einmal bleiben wir innerlich bei uns und können auch für uns selbst sorgen, im anderen Fall kann es passieren, dass wir uns völlig aufarbeiten und auslaugen, bis wir selbst Hilfe brauchen.
Das Wichtigste ist auch hier einmal mehr Bewusstsein, sich der eigenen inneren Motive und Antriebe bewusst zu werden. Nur so können wir uns auch schützen!
Die innere Arbeit lohnt sich also in jeder Lebenslage!